Castell ist der namengebende Stammsitz der Herren, Grafen und heutigen Fürsten zu Castell, die hier seit über 900 Jahren ansässig sind. Der an der Westkante des Steigerwalds gelegene Ort erscheint erstmals 816 in der Gründungsurkunde des Benediktinerklosters Megingaudshausen, das später nach Münsterschwarzach verlegt wurde. 1091 nennt sich der edelfreie Rupert in einer Würzburger Bischofsurkunde erstmals “de Castello”. Seit 1202 führen die Herren zu Castell den Grafentitel; um ihre Landesherrschaft zu demonstrieren, seit 1228 auch mit dem Prädikat “dei gratia” (von Gottes Gnaden).

Auf dem von Südosten nach Nordwesten verlaufenden Bergrücken zwischen der heutigen Straße Castell-Wüstenfelden und dem Herrenberg (etwa 420 Meter Länge) entstanden oberhalb des Dorfes im Laufe von Jahrhunderten mehrere Befestigungsanlagen und Burgen. Die vier mächtigen Halsgräben aus dem Früh- und Hochmittelalter zeigen eindrucksvoll Umfang und Ausmaß des gesamten Burgareals. Durch archäologische Ausgrabungen im Bereich des östlichsten Walls (1989) und auf dem Herrenberg (1996) konnte durch Keramikfunde die urkundliche Ersterwähnung (816) bestätigt werden. Das castrum dictum Kastell und die purch ze Kastell werden um 1266 erstmals in einer Teilungsurkunde der Grafen Heinrich II. und Hermann II. zu Castell benannt.

   Der Herrenberg nach den Ausgrabungen 1996

Während der benachbarte Herrenberg durch Verpfändung 1328 bis zum Ende des 17. Jh. an die Burggrafen von Nürnberg bzw. die späteren Markgrafen von Brandenburg-Ansbach fiel, blieb die Burg auf dem Schlossberg bis auf den heutigen Tag ununterbrochen in Händen des Hauses Castell. Im Bauernkrieg 1525 wurden beide Burgen zerstört. Während die brandenburgische Burg auf dem Herrenberg Ruine blieb und das brandenburgische Amt Castell nach Kleinlangheim verlegt wurde, ließen die Casteller Grafen die obere Burg auf dem Schlossberg schnell wieder aufbauen.

Im zweiten Markgräflerkrieg wurden die Befestigungsanlagen 1553 wesentlich verstärkt und in den Jahren 1607 bis 1615 das ganze Schloss erweitert und erneuert. Aus dieser Zeit stammt der heute noch bestehende Treppenturm. Oberhalb des Portals hat sich der Erbauer mit seiner Gemahlin verewigt: Wolfgang Graf Vnd Herr Zu Castell 1615 Iuliana Gräfin Vnd Frau Zu Castell Geborene Gräfin Zu Hohenlohe. Darunter befinden sich links der rot-silber gevierte Wappenschild der Grafen zu Castell und rechts davon das Wappen der Grafen zu Hohenlohe-Langenburg. Auf der Rückseite des Turms Wappen des Grafen Wolfgang I. und seiner Gemahlin Martha Gräfin v. Wertheim, darüber das stark verwitterte Allianzwappen Castell-Hohenlohe aus dem 19. Jahrhundert.

Neben einem Zeughaus gab es noch im 17. Jahrhundert eine Tor- und Verhörstube, die Kanzlei, eine Schulstube, ein Frauenzimmer, des “gnädigen Herrn” Stube, die gräfliche Stube, einen Saal (ca. 22,5 m x 4,2 m), die Amtmannsstube, die Reiterstube, eine große Herrnküche, Speisekammer, zahlreiche Ställe und Wirtschaftsgebäude, eine Kapelle, eine Badstube, ein Kelterhaus und das Gefängnis. Die räumliche Enge von Land- und Viehwirtschaft, Weinbau, Verwaltung und der herrschaftlichen Familie war wohl nicht sehr komfortabel. Nachdem die Grafenfamilie 1691 in das neu erbaute Schloss und auch die Regierungsbeamten in das Dorf hinuntergezogen waren, diente das alte Bergschloss nur noch als Wirtschaftshof. Mitte des 18. Jahrhunderts begann man mit dem Abbruch der Gebäude, und um 1818/19 ließ Graf Friedrich Ludwig zu Castell-Castell den bis dahin unbewaldeten Schlossberg bepflanzen und eine englische Parklandschaft mit Wegen und Aussichtsplätzen anlegen, die heute in Resten noch erkennbar ist.

Zwischen Schlossberg und Herrenberg steht heute noch die Gerichtslinde, die an die Cent (Hoch- oder Blutgericht) zu Castell am Berge erinnert, eines der vornehmsten Reichslehen der Grafen zu Castell. 1662 wurde es mit der Cent Rüdenhausen verschmolzen und sein Sitz auch dorthin verlegt. Die Weinberge um den Schlossberg (vinee in latere castri superioris) werden schon um 1266 genannt.

1680/84 konnte der kurpfälzische Großhofmeister Wolfgang Dietrich Graf zu Castell-Remlingen (1641-1709) die brandenburgische Dorfhälfte zurückerwerben und ließ hier durch den Künzelsauer Baumeister Peter Sommer von 1686 bis 1691 ein neues Barockschloss errichten. Auf dem Bauplatz hatte sich vorher ein Freihof befunden, dergestalt, ob sich begibt, dass einer einen erwürget, oder andere böse Stück verübet, es seye auff was Herrschafft Güter es wolle, und in diesen Hof kommen, so hat er allwege 3 Tag Freyung, und nach Endung solcher drey Tag, mag er 3 Schritt aus dem Hof thun und wieder hinter sich gehen, alsdann hat er abermal 3 Tag Freyung und also fortan (Merian).

Das unverputzte Schloss ist eine der ersten Dreiflügelanlagen Frankens und wird von einem mächtigen Mansarddach bekrönt, das auch als eines der ersten seiner Art in Franken gelten kann. Zwischen 1863 und 1869 ließ Graf Friedrich Ludwig (1791-1875) den Torbau, den östlichen Seitenflügel und die Eckpavillons in einfühlsamem, neobarockem Baustil vollständig umbauen und aufstocken. Dadurch wurde der Neubau des Pferdestalls nötig, der heute als Restaurant “Weinstall” östlich des Schlosses steht. Das Allianzwappen über dem Schlosstor erinnert an den Bauherrn des Umbaus und seine Gemahlin, Emilie Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg (1793-1859), während auf der Hofseite noch einmal die Wappen des Schlosserbauers Wolfgang Dietrich und seiner ersten Gemahlin, Elisabeth Dorothea Schenkin von Limpurg, zu sehen sind. Das “wertvollste Geschoss” ist der Weinkeller, der heute nur noch vom Domänenamt aus zugänglich ist.

   Schloss Castell  

Der barocke Schlossgarten wurde um 1820 in einen Landschaftsgarten umgewandelt und um 1870 nach Plänen des Münchner Hofgärtendirektors Carl von Effner um die sogen. “Anlagen” erweitert. Hier befinden sich der neue Pferdestall, die Reithalle, der Wiedervereinigungsstein (1991) von Theo Steinbrenner und der sogen. Grafensee.

Auf dem Gemeindefriedhof Grab des Archivars und Dichters August Sperl (1862-1926) und Gedenktafel für den Kanzleidirektor und Historiker Friedrich Wilhelm Viehbeck (1770-1828). Oberhalb der Straße Familienfriedhof des Hauses Castell, u.a. Grab des bayer. Obersthofmeisters Gustav Graf zu Castell-Castell (1829-1910), der unter drei bayerischen Königen an der Spitze der kgl. Hofbeamten stand und 1868 den bayer. Landeshilfsverein vom Roten Kreuz gründete. An der Rückseite des großen Kreuzes Tafel zur Erinnerung an die Gründung der Communität Casteller Ring: In der Osternacht 1942 bekannten sich hier trotz Verbot sieben junge Mädchen zum Einsatz für Christus und die deutsche Jugend. Daraus wuchs der Bund Christlicher Pfadfinderinnen und aus seinen Reihen durch Gottes Ruf die evangelische Communität Casteller Ring.

Das benachbarte sogen. Schlösschen besaß Ende des 18. Jahrhundert der gräfliche Regierungsdirektor und Kreisgesandte Friedrich Adolph von Zwanziger, diente im 19. Jahrhundert als Wohnung der Casteller Amtsärzte und wurde 1894 als Witwensitz für die gräfliche Familie ausgebaut. 1950 Gründungsort der Communität Casteller Ring, ein evangelischer Frauenorden, der im Geist der Regel des Hl. Benedikt lebt.

Die ev.-luth. Grafschaftskirche St. Johannis wurde 1784 bis 1788 nach Plänen des aus Tirol stammenden Landbaumeisters Joseph Albert auf eine Terrasse im Oberdorf gesetzt und überragt wirkungsvoll den Ort. Von außen präsentiert sich der mächtige Saalbau noch ganz in dem durch Balthasar Neumann geprägten Stil fränkischer Barockkirchen. Tritt man hinein, empfängt den Besucher ein frühklassizistischer Raum mit umlaufender Empore. Die helle Lichtführung gibt dem Kirchenraum seine Einzigartigkeit im süddeutschen Kirchenbau. Die Stuckaturen und der mächtige Kanzelaltar aus grau-weißem und rotem Casteller Alabaster stammen von dem Königshofener Stuckateur Johann Michael Krieger. Die 1981 neu errichtete Orgel (G. Schmid, Kaufbeuren) zieht jedes Jahr Musikfreunde zu den zahlreichen Konzerten nach Castell, der klassizistische Orgelprospekt (1787/88) ist ein Werk des Kitzinger Meisters Franz Zettler. Die ungewöhnliche Größe der Casteller Kirche für ein 500-Seelen-Dorf resultiert aus der Herrschafts- und Kirchengeschichte des Ortes. Zwischen 1546 und 1561 führten die Grafen Conrad, Georg und Heinrich Castell in ihrer Grafschaft die Reformation ein und begründeten damit zugleich eine kleine Landeskirche, deren Zentrum in Castell lag. Castell ist heute noch Dekanatssitz für zahlreiche umliegende Kirchengemeinden.

Neben seiner herrschaftlichen und kirchlichen Zentralität war Castell auch viele Jahrhunderte ein beliebter Kurort. Das 1399 erstmals genannte Wildbad entwickelte sich im 16. Jh. so schwungvoll, dass die Herrschaft 1601 durch den Wiesenbronner Baumeister Martin Haag ein neues Wildbadgebäude errichten ließ. Die Kurgäste kamen von weither, um in dem heilenden Bitterwasser zu baden. Im Kellergeschoss befinden sich noch heute in einem von zehn Säulen getragenen Kreuzgewölbe die ehemaligen Baderäume. Ende des 17.Jh. wurde das Wildbad geschlossen und fungierte fortan u.a. als oberste Regierungs- und Justizkanzlei sowie als Sitz des Konsistoriums der Castell’schen Landeskirche. Hier wurde 1774 auch die “Gräflich Castell-Remlingen’sche Landes-Credit-Cassa” gegründet, heute als Castell-Bank die älteste Bank in Bayern. Im September 1806 verkündete hier ein königlich bayerischer Kommissär das Ende der Grafschaft Castell und deren Einverleibung in das Königreich Bayern. In dem zweigeschossigen Renaissancebau mit seinen schönen Volutengiebeln richtete der Archivar und Dichter August Sperl in den Jahren 1902 bis 1907 das Fürstlich Castell’sche Archiv ein, das bis heute mit seinen rund 1000 laufenden Regalmetern und ca. 8000 Urkunden das schriftliche Gedächtnis für viele Gemeinden darstellt, die einst zur Grafschaft Castell gehörten.

  Ehemaliges Wildbad

Im Unterdorf an der Birklinger Straße liegt das Gasthaus “Zum Schwan”, das zuletzt das 1842 gegründete Beamten-Casino “Réunion” beherbergte. Hundert Meter weiter gegenüber steht die ehemalige Gräflich Castell’sche Studienanstalt (Birklinger Straße 13), ein von dem Reformpädagogen Heinrich Stephani (1761-1850) begründetes Gymnasium, das von 1797 bis 1816 existierte.

In der Weinbergslage Hohnart Denkmal für die erste bekannte Pflanzung der Silvaner-Reben in Deutschland (1659). Überquert man die Greuther Straße, gelangt man hinter dem Sportplatz zum Gründleinsloch, einer Topfquelle, um die sich zahlreiche Sagen ranken. Paulus Papius berichtet in seiner Casteller Chronik (um 1600) scherzhaft, wenn man in den Brunnen des alten Bergschlosses eine Ente geworfen habe, dann sei sie wenig später aus dem Gründleinsloch wieder aufgetaucht.

Auf dem Weg nach Wiesenbronn liegt unterhalb der schon um 1266 genannten Weinbergslage Trautberg (Trupperg) das gleichnamige Rettungshaus, wo nach dem Vorbild des “Rauhen Hauses” Hinrich Wicherns 1850 eine Anstalt zur Erziehung armer und sittlich verwahrloster Kinder eingerichtet wurde. Das heutige Gebäude stammt von 1913. Im Mittelalter stand hier ein großer Schafhof der Grafen zu Castell, der im späten Mittelalter wiederholt als Wittumsgut genutzt wurde. 1391 verkaufte Graf Wilhelm 1000 Schafe nach Nürnberg. J.D.

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CASTELL

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